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Antworten zu Thema: Die innere Stimmigkeit
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Themenübersicht (Neueste zuerst)
Geschrieben von ParaDoxa - 01.03.2020, 00:59
Das ist doch klar, Ramazzotti - wie oft muss man das denn hier schreiben?

Absolut gibt es nur einen einizigen Willen, der ALLES gebiert.
Und dennoch sage ich: Ich will den Apfel und nicht die Birne.
Oder: Ich habe mich für das rote Kleid entschieden.
Usw.
Geschrieben von ramazzotti - 29.02.2020, 11:43
"Eigenmächtig...Selbstbestimmt... " ...Tatsächlich??? Oder sind das nur leere Phrasen ?

Den Ansatz .."da ist eine (innere) Stimmigkeit .. trotz allem " ..find ich ja völlig OK
Geschrieben von ParaDoxa - 25.02.2020, 19:13
Die innere Stimmigkeit ist vergleichbar mit einer inneren Anlage des Menschen. Wir suchen sie uns demnach nicht aus, sie ist einfach. Sie wird deutlich im spüren unserer selbst. In den kleinsten Regungen, die wir ganz plötzlich zu etwas haben, aber auch im ganz-bei-sich-sein und ruhen, für sich allein, taucht sie wie aus dem Nichts auf.

Die innere Stimmigkeit, die ihrem Wesen nach zwangsläufig Grenzen generiert, also etwas ablehnt, vermeintlich ausschließt, oder akzeptiert und konform geht, unterscheidet sich maßgeblich von den aus dem Ego hervorgehenden Bewertungsmustern von Ablehnung-Einwilligung und Akzeptanz.
Letzteres drückt sich über ein gefärbtes, auf Konditionierung, Bewertungen und Urteile beruhendes, ab-und aufwertendes, zuschreibend-und vergleichendes, zwischengeschaltetes Ich aus.
Während die innere Stimmigkeit die Subjektivität des Individuums ist, und somit VOR aller Überlagerungen durch jedwede Form der Konditionierung existent und hervorgehend.

Die gelebte innere Stimmigkeit eines Individuums, ist frei von diesem Zensor-Konglomerat und lehnt daher nicht wirklich ab, womit es nicht übereinstimmt. Es hat kein Urteil darüber, denn es ist sich ja selbst seiner persönlichen Subjektivität bewusst.

Allerdings kann der innere Kritiker und Kontrolleur anderer damit nicht gut umgehen, und wirklich akzeptieren. Er will die Dinge geordnet, nach seinen Vorstellungen, und respektiert die (von anderen geäußerte) innere Stimmigkeit anderer nicht. In seinem dagegen-angehen unterstellt es ihr mangelnde Flexibilität und Weite, wie z.B. die Dinge doch schließlich auch aus einer anderen Perspektive sehen zu können - und demonstriert damit sein Unverständnis für innere Stimmigkeit und Subjektivität, sein eigenes Wertesystem, seine Nichtakzeptanz und mangelnde, alles umschließende Weite, sowie sein Kontrollsystem über andere. Es erliegt quasi seinen eigenen Projektionen.
Erst wenn diese Instanz im Menschen gänzlich durchschaut und losgelassen wurde, wie es im Text bereits verdeutlicht wurde, ist eine vollständiges Sosein-lassen können und eine große Akzeptanz und Respekt vor der inneren Stimmigkeit anderer und damit vor dem Leben wirklich möglich. Das setzt eine große Weite in sich selbst voraus.
Wir gehen mit anderen stehts so um, wie wir mit uns selbst umgehen.
Liebe ist daher, die Akzeptanz und der Respekt vor jeglichem Anderssein, statt es zu reglementieren, zu bewerten, einzuordnen/interpretieren, und damit letzlich kontrollieren zu wollen.

Aber es wird natürlich nicht zulassen, dass die eigene innere Stimmigkeit nicht akzeptiert oder über Vorstellungen anderer, wie wir zu sein hätten, ummodelliert wird.
(23.02.2020, 21:34)ParaDoxa schrieb:  Das Wissen um die eigene Stimmigkeit kann einen Menschen befähigen, sich gegen den Strom zu stellen, das Eigene auch in schwierigsten Situationen gegenüber anderen zu vertreten, sich nicht normieren und vereinnahmen zu lassen.

Es ist durchaus möglich selbst bestimmt und kraftvoll zu sein, da lasst euch auf keinen Fall etwas anderes erzählen und entmutigen. Das kann ich nun nach all meinen Kämpfen und meinem Einsatz für ganz egal was, wirklich aus Erfahrung bestätigen.
Wir suchen uns natürlich nichts aus was dieser inneren Stimmigkeit nicht entspricht. Geraten wir dennoch in eine solche Situation, dann löst das in uns großes Unbehagen aus und wir spüren, dass sich etwas in uns sträubt. Es verursacht Widerstand - nicht Widerstand gegen uns selbst und dem was wir fühlen, sondern ganz im Gegenteil, weil wir uns selbst spüren und ernst nehmen, löst es Widerstand gegen den Versuch unsere innere Stimigkeit in Frage zu stellen oder gar unzuterminieren, was letztlich die Grundlage zur Verteidigung darstellt. Wir reagieren möglicherweise recht ungemütlich oder wir verlassen die Situation.
Hier nützt es nämlich ausnahmsweise mal nichts, einfach bloß zu fühlen was ich fühle,
denn es geht um eine grundsätzliche indiskutable Veranlagung/Wahrheit des Menschen und seinem ganz individuellen Sosein. Und selbst das sind vermutlich bereits zu viel der Worte, weil es sich mit jeder Beschreibung verflüchtigt.
Geschrieben von ParaDoxa - 23.02.2020, 21:34
Ein interessanter Text den ich mal erneut einstellen mag.

Niemand kann die Subjektivität der inneren Stimmigkeit eines Individuums kennen oder beurteilen und damit auch nicht wissen, was du wirklich willst oder nicht willst.
Das erste Gefühl, deine erste Reaktion auf eine Situation, wäre beispielsweise ein klares Indiz für deine innere Stimmigkeit. Ich habe dazu ein paar Abschnitte fett markiert.

(18.04.2016, 21:20)ParaDoxa schrieb:  Die innere Stimmigkeit

(Dies ist ein unveröffentlichtes Manuskript. Alle Vervielfältigungs- und Wiedergaberechte liegen bei der Verfasserin.)

Es ist mir ein Anliegen, mit diesem Artikel etwas zu beschreiben, was mir immer mehr wie ein Schlüssel meiner eigenen Suche und demzufolge auch meiner psychotherapeutischen Arbeit erscheint: die innere Stimmigkeit.

Es wird der widersinnige Versuch werden, mit zwangsläufig objektivierenden Begrifflichkeiten etwas seinem Wesen nach zutiefst Subjektives zu erfassen, ein Versuch, der aufgrund der Paradoxie des Vorhabens ein Wagnis ist, denn er fordert den Geist heraus, das Wirken scheinbar unvereinbarer Gegensätzlichkeiten in eine strukturierte Textform zu bringen und für potentielle Leser nachvollziehbar zu machen. Ich möchte dennoch dazu einladen, sich im folgenden mit mir auf dieses Abenteuer einzulassen.


Auf dem Weg zur Subjektivität


Zur eigenen Stimmigkeit finden, heißt, zur Authentizität finden, heißt, vollkommen man selbst sein und deshalb jedes von außen Auferlegte, Erwartete, Gemachte hinter sich zu lassen. Stimmigkeit verneint jedes objektive Maß, jede Beurteilung, denn sie ist ihrem Wesen nach zutiefst subjektiv, individuell, unteilbar. Das Wissen um die eigene Stimmigkeit kann einen Menschen befähigen, sich gegen den Strom zu stellen, das Eigene auch in schwierigsten Situationen gegenüber anderen zu vertreten, sich nicht normieren und vereinnahmen zu lassen.

Stimmigkeit ist ein inneres Wissen, das größte Kraft verleiht, denn sie gründet auf der eigenen inneren Wahrheit. Sie ist gewusstes Wissen, etwas, das Ahnung, Gefühl, Intuition übersteigt. Stimmigkeit ist nur innengerichtet. Sie bezeugt, was für den Einzelnen wahr ist, sie ist Ausdruck der inneren Wahrhaftigkeit.

Stimmigkeit ist subjektiv und auf dem Wahren ICH begründet, aber sie ist hat nichts mit egoistischem Narzissmus gemein. Die Selbst-Bezogenheit der Stimmigkeit kann sich im Gegenteil erst enthüllen, wenn die auf Abwehrprozessen gegründete lebenslang angeeignete Persönlichkeitsstruktur erkannt und enthüllt ist. Erst wenn ich mich mit keiner meiner in der Sozialisation gelernten Überzeugungen, Glaubenssätze, Gefühle und Gedanken mehr identifiziere, erst wenn ich weiß, dass ich nichts von dem bin, was ich mein Leben lang zu sein glaubte, zeigt sich allmählich der Weg der Enthüllung des Eigenen.

Ein stimmiger Mensch ist für andere erkennbar, er ist präsent in einer Weise, die sich anderen spürbar mitteilt. Er wirkt außerordentlich kraftvoll, denn er ist kongruent mit seinem wahren Selbst.


Die Stimmigkeit, nicht zu stimmen

Dennoch ist Stimmigkeit nicht besser als Nicht-Stimmigkeit.

Unser in Dualismen geübter Geist konstruiert natürlich sofort die Bewertung: ich muss mich jetzt also bemühen, stimmig zu sein, Nicht-Stimmigkeit ist schlecht, wenn ich nicht stimme, habe ich versagt, wie heißen also jetzt die neuen Verhaltensmaßregeln?

Stimmigkeit im von mir gemeinten Sinne meint nicht das Gegenteil von Nicht-Stimmigkeit, sondern schließt sie vollkommen mit ein. In einer Situation nicht zu stimmen, kann völlig stimmiger Ausdruck meiner momentanen Verfassung, der schwierigen äußeren Umstände etc. sein. Ich stimme, wenn ich ganz bei mir bin, ohne irgendwo hin oder von irgendwo weg zu wollen, wenn ich mir erlaube, zu sein wie ich bin, in all meiner menschlichen Unvollkommenheit. Die Stimmigkeit ist bei aller Unstimmigkeit immer vorhanden und doch ein stets sich verändernder Prozess des Hineinschälens in sich selbst.


Der Lernprozess

Bei sich zu sein, ist offensichtlich ein höchst schwieriger Lernprozess.

Anscheinend bekommen wir nicht beigebracht, wirklich wir selbst zu sein, lernen wir keine wirkliche Subjektivität, keine Subjekthaftigkeit. Meist wird uns diese sogar regelrecht „ab- erzogen“. Statt dessen lernen wir, uns selbst und andere als Objekte zu betrachten, die wir mit Zuschreibungen, Erwartungen, Deutungen, Benennungen und vermeintlichen Erklärungen festschreiben.

Der Weg vom Objekt zum Subjekt braucht die Bereitschaft zur Erschütterung, ein Durchschauen der Prozesse von Konzeptualisierung und Begriffsbildung hin zu einem Zustand jenseits der Festschreibungen. Ein Subjekt schöpft nur aus sich selbst und verankert diesen Schöpfungsprozess in der unbenannten, ungeformten Leere, im Nicht-Wissen, Nicht-Wollen, im Unbekannten. Der Boden des Subjekts ist Mysterium.

Aus diesem Boden heraus füllt ein wahres Subjekt sich nicht mit Objekten, es entspricht nicht Erwartungen, die von anderen Menschen, der Welt, vom Über-Ich oder von „Gott“ an es herangetragen werden, sondern es erfüllt sich mit sich selbst, mit seiner ursprünglichen Subjektivität. Statt im Außen, im anderen zu suchen, wenden wir uns immer mehr, immer weiter ins eigene Innere, wir suchen Gott in uns statt außerhalb von uns.


Die nicht diskutierbare Wahrheit

Die eigene Stimmigkeit erfüllt mit Wahrheit.

Sie ist die größtmögliche Sicherheit, die wir Menschen erlangen können, denn Subjektivität ist nicht diskutierbar, sie ist ohne Grund, ohne Ursache, ohne Bewertung, sie ist die uns aufgrund unseres Menschseins mitgegebene Fähigkeit, auf die Welt zu reagieren.

Unsere Sinne, unser Körper und unser Geist befähigen uns zu unmittelbaren, ungefilterten inneren Antworten auf alles, was geschieht. Unser subjektives Inneres reagiert in Bruchteilen von Sekunden. Diese antwortenden inneren Reaktionen sind wahr. Sie sind unsere perfekt angelegten, seismographischen Orientierungspunkte bevor Filterprozesse geschehen. Diesen ursprünglichen Seismographen wieder einzusetzen, ihm zu vertrauen und zu lernen, mit seinen Signalen umzugehen, könnte unsere menschliche Handlungsfähigkeit neu begründen.


Die Einladung zur Stimmigkeit

Zu unserer Stimmigkeit zu finden braucht eine große Einladung. Diese Einladung wird durch jede Wertung, Erwartung, jedes Wünschen, Wollen und Streben wirkungsvoll verhindert.

Einladend ist der aus dem Inneren kommende tiefe Wunsch nach sich selbst, ein wirkliches Interesse am Eigenen. Das erfordert im Äußeren Raum und Zeit, ein unbedingtes Sich wichtig Nehmen und ein Unterbrechen der Alltagsroutine.

Einladend ist eine erwartungslose Frage wie „Was ist los mit mir?“ und die anschließende Bereitschaft, alles, was sich zeigen oder nicht zeigen möchte, unterschiedslos da sein zu lassen.

Der Weg zur inneren Stimmigkeit ist absichtslos. Es gibt kein besser oder schlechter, nur ein respektvolles Forschen, eine bedingungslose Akzeptanz unsere So-Seins, eine Hinwendung zu uns selbst ohne jede Verbesserungsabsicht. Unser Inneres ist erst dann bereit, sich uns immer mehr und weiter zu offenbaren, wenn es die Sicherheit gewinnt, bedingungslos sein zu dürfen, ohne sich in irgendeiner Weise verändern zu müssen. Erst das wirkliche Erlauben der Nicht-Veränderung bereitet den Boden für die Veränderung, die ohnehin Grundlage unseres
Daseins ist.

Wirkliche Selbst-Erforschung muss Nicht-Wissen und Nicht-Wollen zur Grundlage haben.
Jedes Wissen verstellt den Weg ins Unbekannte, indem es erklärt, benennt und einordnet und so eher abschreckt als einlädt. Erst das neugierige, urteilslose Staunen macht frei für das Geheimnis, lädt immer wieder neu ein, lässt das vermeintlich Begriffene und Erfasste immer wieder los und staunt aufs Neue.


Veränderung ohne Absicht

Stimmigkeit ist Ausdruck des Moments.

Sie beinhaltet keinerlei Veränderungsabsicht, weder bei sich, bei anderen oder bei der Umwelt. Da sie alles beinhaltet, was sich zeigt, ist sie ein uneingeschränktes JA, und erst von diesem JA aus könnte Veränderung geschehen, die verändert, ohne irgendetwas anders haben zu wollen oder zu müssen.
Das JA ist in der Lage, alles zu halten, es enthält Ungelöstes, Spannung, Widerspruch und jede Nicht-Veränderung. Und es ist gleichzeitig gewahr, dass nichts bleibt, alles sowieso in ständigem Wandel ist und das, was eben noch stimmte, im nächsten Augenblick schon wieder anders sein kann.


Alleinsein und Getrenntheit


Stimmigkeit kann nur im Alleinsein gefunden werden, denn das Alleinsein bildet ihre Grundlage. Kein noch so einfühlsamer anderer Mensch kann über das Geheimnis der subjektiven Stimmigkeit wissen, sie ist nur aus sich selbst heraus zu finden und jede Interpretation von außen würde sie vernichten.

So kann die Liebe eines Menschen die Stimmigkeit des jeweils anderen niemals kennen, sie kann sie nur tief aus dem Herzen als subjektive Wahrheit bestätigen, da sein lassen und respektieren.

Stimmigkeit lässt uns nicht vorschnell mit anderen Menschen eins sein. Sie hat das Potential, uns aufgrund ihrer radikalen Subjektivität zu trennen, denn sie betont das Unteilbare des Einzelnen. Und erst die vollständige Getrenntheit bildet den Boden für Verbindung und Bezogenheit, sie macht tief verlässlich aufgrund ihrer Wahrhaftigkeit und der wunderbaren Einzigartigkeit, die Menschsein erst ausmacht. Liebe in diesem Sinne zeigt sich als tiefe Freude am Anderssein des Anderen, die Verbindung besteht aufgrund der gleichen mysteriösen Wurzel Subjektivität.


Die Eigenmacht

Innere Stimmigkeit ist zutiefst persönlich, sie ist der Sitz unserer Individualität, Unverwechselbarkeit und Eigenmacht. Daher unterwirft sie sich niemals irgendeinem von außen kommenden Willen, sei er auch noch so berechtigt (weil ein anderer sich etwas von uns wünscht), moralisch begründet (zum Wohle der Menschheit) oder erstrebenswert für die eigene Entwicklung (aus der wohlmeinenden Sicht eines Therapeuten). Die eigene innere Wahrheit ist einfach eine nicht diskutierbare Tatsache, die den Boden bildet für jede authentische Reaktion.


Hingabe an das Unpersönliche


Dabei ist die aus dem tiefsten Inneren kommende authentische Wahrhaftigkeit zwar zutiefst persönlich, doch ist sie, da sie von keinerlei persönlicher Absicht mehr geprägt ist, Ausdruck des Unpersönlichen.
Die ungefilterten, ursprünglichen organismischen Antworten auf alles Geschehen sind Ausdruck des Unpersönlichen, das über die an keine Abwehrprozesse gebundene Persönlichkeit seine individuelle Form erhält.

Menschsein bedeutet dann, wie ein Instrument zu sein, das nun bereit ist, sich wirklich spielen zu lassen, ohne sich an Noten, vorgegebene Kompositionen, Rhythmen oder sonstiges von anderen auferlegtes Vor-Wissen zu halten. Erst wenn der persönliche Wille, der sich irgendwo hin- oder abwendet, etwas haben oder nicht haben, etwas fühlen oder nicht fühlen will, zurücktritt und bedingunglos mit allem ist, kann sich der größere Wille über uns ausdrücken. Erst jetzt ist die innere Hingabe erreicht, aus der ich sagen kann „Dein Wille geschehe“.

So ist mit der Unterwerfung unter Gottes Willen niemals die Selbstaufgabe gemeint, die ja jeder Willkür Tür und Tor öffnen würde (wo ist da der Unterschied zum Faschismus?).
Gemeint ist vielmehr das vollkommene Bei sich Sein, die gelebte und geformte Individualität, das Ja zu Trennung, Alleinsein und Einzigartigkeit.
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Kompromisslosigkeit und Unschuld


Innere Wahrheit ist aufgrund ihrer subjektiven Natur prinzipiell undiskutierbar.

Der Boden meiner eigenen Wahrnehmung kennt keinen Kompromiss und keinen Zweifel, denn sie ist zutiefst wahr und zu mir gehörig. Daher lässt die innere Stimmigkeit auch keinen Raum für Schuld, denn mein Sosein ist seiner Natur nach völlig unschuldig.
Das authentische „So bin ich, ich kann nicht anders“ wurzelt in der Unschuld, die entsteht, wenn Individualität bereit ist, sich als Ausdruck des Größeren zu formen, das sich über unsere persönlichsten seismographischen Wahrnehmungen und Reaktionen manifestiert.

Die Stimmigkeit muss uns in zweierlei Hinsicht an Sterbepunkte führen:

Der frühere persönliche Wille muss bereit sein zu sterben, um dem vom Größeren geformten Individuellen Platz zu machen, ein Prozess, der schwierig, schmerzhaft und tief ängstigend sein kann (dunkle Nacht der Seele, Aufgabe des EGO).

Gleichzeitig bekommt der Weg zum Eigensein mehr und mehr einen Sog, der eine Verbindlichkeit und Kompromisslosigkeit enthalten kann, die zu der Bereitschaft führt, für das Eigene zu sterben. Selbstverrat wird als so unaussprechlich schrecklich erlebt, dass die Form bereit ist, sich aufzugeben, um das Heilige, dessen Ausdruck sie ist, zu wahren.
Es ist dies der Punkt, an dem authentische Persönlichkeiten der Geschichte standen und stehen, für die es niemals infrage stand, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen.


Die Schuld der Manifestation

Auch wenn das Eigene vollkommen in der Unschuld wurzelt, wird es zwangsläufig schuldig, sobald es sich manifestiert. Der Ausdruck des Eigenen kommt nicht umhin, andere, die ebenfalls Eigenes ausdrücken, zu verletzen. Eigenheiten müssen ihrer Natur nach unterschiedlich sein, daher enthüllt und verdeutlicht die subjektive Stimmigkeit Verschiedenheit in all ihrer Fülle, und es kann sehr schmerzhaft sein, wenn Verschiedenheiten aufeinander treffen.

An dieser Stelle zeigt sich die Unabdinglichkeit des ganz großen, vollkommen entfalteten Herzens. Da die innere Stimmigkeit uns selbst vollkommen enthält, bildet sie so die Basis, auch jede andere Manifestation zu beinhalten. Erst wenn wir uns selbst vollkommen lassen können, ein ganz großes, nicht wertendes Herz für uns selbst entwickeln, können wir auch alles andere in uns enthalten und müssen im Außen nichts und niemanden ausschließen.

So hat der Selbstbezug der inneren Stimmigkeit absolut nichts gemein mit irgendwelchen egoistischen Strebungen, die blind machen für das Leid anderer. Sobald ich mein Herz für mein eigenes Leid, die Unvermeidbarkeit von Schuld, Versagen und Unvollkommenheit geöffnet habe, bin ich auch geöffnet, andere zu fühlen und deren subjektive Wahrheit in mir zu halten.


Umgang mit Emotionen


Innere Stimmigkeit ist keine Fixierung auf Emotionalität, sie meint zum Beispiel nicht, man solle seine Wut abreagieren, weil das halt jetzt gerade stimmt.
Innere Stimmigkeit enthüllt sich gerade nicht, wenn wir vorschnell irgendwelchen Impulsen folgen. Sie braucht ein Spüren, Sehen und Anerkennen der eigenen Emotionen, aber sie überlässt sich ihnen nicht, sie reagiert sie auch nicht ab, sondern sie registriert sie als Ausdruck der momentanen inneren Verfassung.

Emotionen sind unterschiedslos eingeladen, ohne eine Handlung zur Folge zu haben. Alles wird mit der Qualität eines Zeugen wahrgenommen und gehalten, wird gesehen und verstanden, ohne dass etwas daraus folgen müsste. So entwickeln wir ohne irgendeine Absicht die Fähigkeit unseres Organismus, entstehende Spannung in sich zu halten ohne Tun. Über die Erhöhung zellulärer Kapazität, die Wahrheit von Widersprüchlichkeit im Körper zu halten, erhöht sich auch die Fähigkeit, mit Unerträglichem umzugehen, statt es zu verdrängen oder in die Dissoziation gehen zu müssen.

Der Geist erhält so eine immer wachsende Geschmeidigkeit, sich den paradoxalen Strukturen der dualen Wirklichkeit anzugleichen und lineares Ursache- Wirkungsdenken zu überschreiten.


„Negative“ Gefühle


Wenn ich mir erlauben kann, bedingungslos auch alle „negativen“ Gefühle zu haben, ich ihnen keine Abwehr mehr entgegensetze, indem ich sie vermeiden oder transformieren möchte, kann meine Menschlichkeit zutage treten.

Egoismus ändert seine Bedeutung, wenn ich ihn bewusst in mir halte und erkenne, dass er mich blind macht für andere – und ich ein Grundrecht habe, auch so zu sein, da Egoismus stimmiger Ausdruck meines momentanen Erlebens sein kann.

Hass ändert seine Bedeutung, wenn ich ihn mir erlaube und tief mit dem Herzen verstehe, dass er adäquate Folge eines Zustandes ist, in dem mein Selbst verloren ging, denn er entsteht genau dann, wenn das Eigene vollkommen verschwunden und durch Fremdes ersetzt ist, ich „besetzt“ oder „besessen“ bin. Es gibt ein menschliches Grundrecht, zu hassen, denn ohne Hass entstünde kein Erkennen des schrecklichen Geschehens in mir.

Gier zeigt sich als verständliche Reaktion auf ein Gefühl des zu kurz Gekommenseins. Ohne Gier käme ich dem niemals auf die Spur - und: der Umgang mit diesem Gefühl liegt vollkommen in meiner eigenen Verantwortung.


Selbstverantwortung

Indem ich niemals einem anderen Verantwortung für meinen inneren Zustand übertrage, lerne ich, mir auch schwierigste und extreme Reaktionen zu gestatten, sie in mir zu halten, sie selbst zu verantworten und aus Herzenstiefe zu verstehen. Jede, auch die moralisch fragwürdigste innere Regung macht Sinn, kann stimmig sein, weil sie Wegweiser darstellt für Unerlöstes.

Die wachsende Bewusstheit meiner selbst und die Fähigkeit, mit allem, was geschieht in Beziehung zu gehen, statt sich damit zu identifizieren, schaffen innere Freiheit. Diese sich immer erneuernde Freiheit, zu entscheiden, ob ich reagiere oder nicht, bildet die Basis für die Übernahme absoluter Verantwortung meiner selbst und erst wenn ich mich vollkommen selbst verantworten kann, bin ich auch in der Lage, Verantwortung für andere zu übernehmen.


Das Grundrecht auf Unvollkommenheit


Voraussetzung der Entwicklung innerer Stimmigkeit muss demzufolge ein vollkommen a-moralisches Erlauben und Verstehen sein, was beinhaltet, dass Nichtstimmigkeit stimmiger Ausdruck meiner momentanen Verfassung sein darf. Wir besitzen ein menschliches Grundrecht auf Unvollkommenheit, wir dürfen scheitern und vollkommen unerlöst sein.
Wir dürfen Fehler machen, uns ganz bescheuert verhalten, wir dürfen Unrecht tun und manchmal schaden wir anderen. Das geschah schon immer und wird immer wieder geschehen.

Erst wenn wir diese Mangelhaftigkeit nicht mehr bekämpfen, sondern sie akzeptieren und uns vollkommen erlauben, indem wir sie als unvermeidbaren Ausdruck unseres Menschseins begreifen, öffnet sich unser Herz dafür, und wir hören wir auf, gegen die Tatsache der Dualität anzukämpfen. Gnade meint, Menschsein anzunehmen und nicht verändern zu wollen, Gnade bedeutet Menschlichkeit.

Indem Gott Mensch wurde, wurde er menschlich, Non-Dualität begann, sich durch und über Dualität zu manifestieren. Damit ist Dualität zwangläufig widersprüchlich, und es grenzt an Gewalt, sie nur hell, licht und gut machen zu wollen. Wir brauchen deshalb keine neue Moral, sondern eine wirklich gelebte und geliebte Menschlichkeit.

Literatur: Neuner, E., Niemeyer, H. (2004): Wagnis Wahrhaftigkeit. Pro BUSINESS, Berlin.


Ich verstehe diesen Text als Grundlagenartikel, der natürlich in allen möglichen Punkten
konkretisierbar und zu veranschaulichen ist. Die zugrundeliegende Erkenntnis ist Ergebnis meines eigenen zutiefst persönlichen Forschens sowie jahrelanger intensivster Begegnungen mit Menschen, die bereit waren, ihr innerstes Erleben mit mir zu teilen. Unter ihnen waren es gerade die sogenannten „schweren Persönlichkeitsstörungen“, die „Untherapierbaren“, Aufgegebenen, Gescheiterten, die mich am meisten konfrontierten, inspirierten und bereicherten, und deren verzweifelte Suche nach Wahrhaftigkeit und Authentizität mich unendlich ehrfürchtig werden ließ. Es war immer mein Anliegen, diese Menschen nicht irgendwohin zu therapieren, sondern sie zu lassen, sie zu verstehen, damit sie lernen, sich selbst zu verstehen. Es lässt mich staunen, welch fundamentalen Quantensprung meine Arbeit erlebt, seit sie auf obiger Grundlage basiert und welch tiefgreifende Resonanz sie findet.

Eva Neuner


http://www.therapiekongress-fuer-frauen....euner.html 
Geschrieben von ParaDoxa - 18.04.2016, 21:20
So, mal was anderes zur Abwechslung als das trockene Isbisbes ;-)))


Die innere Stimmigkeit

(Dies ist ein unveröffentlichtes Manuskript. Alle Vervielfältigungs- und Wiedergaberechte liegen bei der Verfasserin.)

Es ist mir ein Anliegen, mit diesem Artikel etwas zu beschreiben, was mir immer mehr wie ein Schlüssel meiner eigenen Suche und demzufolge auch meiner psychotherapeutischen Arbeit erscheint: die innere Stimmigkeit.

Es wird der widersinnige Versuch werden, mit zwangsläufig objektivierenden Begrifflichkeiten etwas seinem Wesen nach zutiefst Subjektives zu erfassen, ein Versuch, der aufgrund der Paradoxie des Vorhabens ein Wagnis ist, denn er fordert den Geist heraus, das Wirken scheinbar unvereinbarer Gegensätzlichkeiten in eine strukturierte Textform zu bringen und für potentielle Leser nachvollziehbar zu machen. Ich möchte dennoch dazu einladen, sich im folgenden mit mir auf dieses Abenteuer einzulassen.


Auf dem Weg zur Subjektivität


Zur eigenen Stimmigkeit finden, heißt, zur Authentizität finden, heißt, vollkommen man selbst sein und deshalb jedes von außen Auferlegte, Erwartete, Gemachte hinter sich zu lassen. Stimmigkeit verneint jedes objektive Maß, jede Beurteilung, denn sie ist ihrem Wesen nach zutiefst subjektiv, individuell, unteilbar. Das Wissen um die eigene Stimmigkeit kann einen Menschen befähigen, sich gegen den Strom zu stellen, das Eigene auch in schwierigsten Situationen gegenüber anderen zu vertreten, sich nicht normieren und vereinnahmen zu lassen.

Stimmigkeit ist ein inneres Wissen, das größte Kraft verleiht, denn sie gründet auf der eigenen inneren Wahrheit. Sie ist gewusstes Wissen, etwas, das Ahnung, Gefühl, Intuition übersteigt. Stimmigkeit ist nur innengerichtet. Sie bezeugt, was für den Einzelnen wahr ist, sie ist Ausdruck der inneren Wahrhaftigkeit.

Stimmigkeit ist subjektiv und auf dem Wahren ICH begründet, aber sie ist hat nichts mit egoistischem Narzissmus gemein. Die Selbst-Bezogenheit der Stimmigkeit kann sich im Gegenteil erst enthüllen, wenn die auf Abwehrprozessen gegründete lebenslang angeeignete Persönlichkeitsstruktur erkannt und enthüllt ist. Erst wenn ich mich mit keiner meiner in der Sozialisation gelernten Überzeugungen, Glaubenssätze, Gefühle und Gedanken mehr identifiziere, erst wenn ich weiß, dass ich nichts von dem bin, was ich mein Leben lang zu sein glaubte, zeigt sich allmählich der Weg der Enthüllung des Eigenen.

Ein stimmiger Mensch ist für andere erkennbar, er ist präsent in einer Weise, die sich anderen spürbar mitteilt. Er wirkt außerordentlich kraftvoll, denn er ist kongruent mit seinem wahren Selbst.


Die Stimmigkeit, nicht zu stimmen

Dennoch ist Stimmigkeit nicht besser als Nicht-Stimmigkeit.

Unser in Dualismen geübter Geist konstruiert natürlich sofort die Bewertung: ich muss mich jetzt also bemühen, stimmig zu sein, Nicht-Stimmigkeit ist schlecht, wenn ich nicht stimme, habe ich versagt, wie heißen also jetzt die neuen Verhaltensmaßregeln?

Stimmigkeit im von mir gemeinten Sinne meint nicht das Gegenteil von Nicht-Stimmigkeit, sondern schließt sie vollkommen mit ein. In einer Situation nicht zu stimmen, kann völlig stimmiger Ausdruck meiner momentanen Verfassung, der schwierigen äußeren Umstände etc. sein. Ich stimme, wenn ich ganz bei mir bin, ohne irgendwo hin oder von irgendwo weg zu wollen, wenn ich mir erlaube, zu sein wie ich bin, in all meiner menschlichen Unvollkommenheit. Die Stimmigkeit ist bei aller Unstimmigkeit immer vorhanden und doch ein stets sich verändernder Prozess des Hineinschälens in sich selbst.


Der Lernprozess

Bei sich zu sein, ist offensichtlich ein höchst schwieriger Lernprozess.

Anscheinend bekommen wir nicht beigebracht, wirklich wir selbst zu sein, lernen wir keine wirkliche Subjektivität, keine Subjekthaftigkeit. Meist wird uns diese sogar regelrecht „ab- erzogen“. Statt dessen lernen wir, uns selbst und andere als Objekte zu betrachten, die wir mit Zuschreibungen, Erwartungen, Deutungen, Benennungen und vermeintlichen Erklärungen festschreiben.

Der Weg vom Objekt zum Subjekt braucht die Bereitschaft zur Erschütterung, ein Durchschauen der Prozesse von Konzeptualisierung und Begriffsbildung hin zu einem Zustand jenseits der Festschreibungen. Ein Subjekt schöpft nur aus sich selbst und verankert diesen Schöpfungsprozess in der unbenannten, ungeformten Leere, im Nicht-Wissen, Nicht-Wollen, im Unbekannten. Der Boden des Subjekts ist Mysterium.

Aus diesem Boden heraus füllt ein wahres Subjekt sich nicht mit Objekten, es entspricht nicht Erwartungen, die von anderen Menschen, der Welt, vom Über-Ich oder von „Gott“ an es herangetragen werden, sondern es erfüllt sich mit sich selbst, mit seiner ursprünglichen Subjektivität. Statt im Außen, im anderen zu suchen, wenden wir uns immer mehr, immer weiter ins eigene Innere, wir suchen Gott in uns statt außerhalb von uns.


Die nicht diskutierbare Wahrheit

Die eigene Stimmigkeit erfüllt mit Wahrheit.

Sie ist die größtmögliche Sicherheit, die wir Menschen erlangen können, denn Subjektivität ist nicht diskutierbar, sie ist ohne Grund, ohne Ursache, ohne Bewertung, sie ist die uns aufgrund unseres Menschseins mitgegebene Fähigkeit, auf die Welt zu reagieren.

Unsere Sinne, unser Körper und unser Geist befähigen uns zu unmittelbaren, ungefilterten inneren Antworten auf alles, was geschieht. Unser subjektives Inneres reagiert in Bruchteilen von Sekunden. Diese antwortenden inneren Reaktionen sind wahr. Sie sind unsere perfekt angelegten, seismographischen Orientierungspunkte bevor Filterprozesse geschehen. Diesen ursprünglichen Seismographen wieder einzusetzen, ihm zu vertrauen und zu lernen, mit seinen Signalen umzugehen, könnte unsere menschliche Handlungsfähigkeit neu begründen.


Die Einladung zur Stimmigkeit

Zu unserer Stimmigkeit zu finden braucht eine große Einladung. Diese Einladung wird durch jede Wertung, Erwartung, jedes Wünschen, Wollen und Streben wirkungsvoll verhindert.

Einladend ist der aus dem Inneren kommende tiefe Wunsch nach sich selbst, ein wirkliches Interesse am Eigenen. Das erfordert im Äußeren Raum und Zeit, ein unbedingtes Sich wichtig Nehmen und ein Unterbrechen der Alltagsroutine.

Einladend ist eine erwartungslose Frage wie „Was ist los mit mir?“ und die anschließende Bereitschaft, alles, was sich zeigen oder nicht zeigen möchte, unterschiedslos da sein zu lassen.

Der Weg zur inneren Stimmigkeit ist absichtslos. Es gibt kein besser oder schlechter, nur ein respektvolles Forschen, eine bedingungslose Akzeptanz unsere So-Seins, eine Hinwendung zu uns selbst ohne jede Verbesserungsabsicht. Unser Inneres ist erst dann bereit, sich uns immer mehr und weiter zu offenbaren, wenn es die Sicherheit gewinnt, bedingungslos sein zu dürfen, ohne sich in irgendeiner Weise verändern zu müssen. Erst das wirkliche Erlauben der Nicht-Veränderung bereitet den Boden für die Veränderung, die ohnehin Grundlage unseres
Daseins ist.

Wirkliche Selbst-Erforschung muss Nicht-Wissen und Nicht-Wollen zur Grundlage haben.
Jedes Wissen verstellt den Weg ins Unbekannte, indem es erklärt, benennt und einordnet und so eher abschreckt als einlädt. Erst das neugierige, urteilslose Staunen macht frei für das Geheimnis, lädt immer wieder neu ein, lässt das vermeintlich Begriffene und Erfasste immer wieder los und staunt aufs Neue.


Veränderung ohne Absicht

Stimmigkeit ist Ausdruck des Moments.

Sie beinhaltet keinerlei Veränderungsabsicht, weder bei sich, bei anderen oder bei der Umwelt. Da sie alles beinhaltet, was sich zeigt, ist sie ein uneingeschränktes JA, und erst von diesem JA aus könnte Veränderung geschehen, die verändert, ohne irgendetwas anders haben zu wollen oder zu müssen.
Das JA ist in der Lage, alles zu halten, es enthält Ungelöstes, Spannung, Widerspruch und jede Nicht-Veränderung. Und es ist gleichzeitig gewahr, dass nichts bleibt, alles sowieso in ständigem Wandel ist und das, was eben noch stimmte, im nächsten Augenblick schon wieder anders sein kann.


Alleinsein und Getrenntheit


Stimmigkeit kann nur im Alleinsein gefunden werden, denn das Alleinsein bildet ihre Grundlage. Kein noch so einfühlsamer anderer Mensch kann über das Geheimnis der subjektiven Stimmigkeit wissen, sie ist nur aus sich selbst heraus zu finden und jede Interpretation von außen würde sie vernichten.

So kann die Liebe eines Menschen die Stimmigkeit des jeweils anderen niemals kennen, sie kann sie nur tief aus dem Herzen als subjektive Wahrheit bestätigen, da sein lassen und respektieren.

Stimmigkeit lässt uns nicht vorschnell mit anderen Menschen eins sein. Sie hat das Potential, uns aufgrund ihrer radikalen Subjektivität zu trennen, denn sie betont das Unteilbare des Einzelnen. Und erst die vollständige Getrenntheit bildet den Boden für Verbindung und Bezogenheit, sie macht tief verlässlich aufgrund ihrer Wahrhaftigkeit und der wunderbaren Einzigartigkeit, die Menschsein erst ausmacht. Liebe in diesem Sinne zeigt sich als tiefe Freude am Anderssein des Anderen, die Verbindung besteht aufgrund der gleichen mysteriösen Wurzel Subjektivität.


Die Eigenmacht

Innere Stimmigkeit ist zutiefst persönlich, sie ist der Sitz unserer Individualität, Unverwechselbarkeit und Eigenmacht. Daher unterwirft sie sich niemals irgendeinem von außen kommenden Willen, sei er auch noch so berechtigt (weil ein anderer sich etwas von uns wünscht), moralisch begründet (zum Wohle der Menschheit) oder erstrebenswert für die eigene Entwicklung (aus der wohlmeinenden Sicht eines Therapeuten). Die eigene innere Wahrheit ist einfach eine nicht diskutierbare Tatsache, die den Boden bildet für jede authentische Reaktion.


Hingabe an das Unpersönliche


Dabei ist die aus dem tiefsten Inneren kommende authentische Wahrhaftigkeit zwar zutiefst persönlich, doch ist sie, da sie von keinerlei persönlicher Absicht mehr geprägt ist, Ausdruck des Unpersönlichen.
Die ungefilterten, ursprünglichen organismischen Antworten auf alles Geschehen sind Ausdruck des Unpersönlichen, das über die an keine Abwehrprozesse gebundene Persönlichkeit seine individuelle Form erhält.

Menschsein bedeutet dann, wie ein Instrument zu sein, das nun bereit ist, sich wirklich spielen zu lassen, ohne sich an Noten, vorgegebene Kompositionen, Rhythmen oder sonstiges von anderen auferlegtes Vor-Wissen zu halten. Erst wenn der persönliche Wille, der sich irgendwo hin- oder abwendet, etwas haben oder nicht haben, etwas fühlen oder nicht fühlen will, zurücktritt und bedingunglos mit allem ist, kann sich der größere Wille über uns ausdrücken. Erst jetzt ist die innere Hingabe erreicht, aus der ich sagen kann „Dein Wille geschehe“.

So ist mit der Unterwerfung unter Gottes Willen niemals die Selbstaufgabe gemeint, die ja jeder Willkür Tür und Tor öffnen würde (wo ist da der Unterschied zum Faschismus?).
Gemeint ist vielmehr das vollkommene Bei sich Sein, die gelebte und geformte Individualität, das Ja zu Trennung, Alleinsein und Einzigartigkeit.


Kompromisslosigkeit und Unschuld


Innere Wahrheit ist aufgrund ihrer subjektiven Natur prinzipiell undiskutierbar.

Der Boden meiner eigenen Wahrnehmung kennt keinen Kompromiss und keinen Zweifel, denn sie ist zutiefst wahr und zu mir gehörig. Daher lässt die innere Stimmigkeit auch keinen Raum für Schuld, denn mein Sosein ist seiner Natur nach völlig unschuldig.
Das authentische „So bin ich, ich kann nicht anders“ wurzelt in der Unschuld, die entsteht, wenn Individualität bereit ist, sich als Ausdruck des Größeren zu formen, das sich über unsere persönlichsten seismographischen Wahrnehmungen und Reaktionen manifestiert.

Die Stimmigkeit muss uns in zweierlei Hinsicht an Sterbepunkte führen:

Der frühere persönliche Wille muss bereit sein zu sterben, um dem vom Größeren geformten Individuellen Platz zu machen, ein Prozess, der schwierig, schmerzhaft und tief ängstigend sein kann (dunkle Nacht der Seele, Aufgabe des EGO).

Gleichzeitig bekommt der Weg zum Eigensein mehr und mehr einen Sog, der eine Verbindlichkeit und Kompromisslosigkeit enthalten kann, die zu der Bereitschaft führt, für das Eigene zu sterben. Selbstverrat wird als so unaussprechlich schrecklich erlebt, dass die Form bereit ist, sich aufzugeben, um das Heilige, dessen Ausdruck sie ist, zu wahren.
Es ist dies der Punkt, an dem authentische Persönlichkeiten der Geschichte standen und stehen, für die es niemals infrage stand, für ihre Überzeugung in den Tod zu gehen.


Die Schuld der Manifestation

Auch wenn das Eigene vollkommen in der Unschuld wurzelt, wird es zwangsläufig schuldig, sobald es sich manifestiert. Der Ausdruck des Eigenen kommt nicht umhin, andere, die ebenfalls Eigenes ausdrücken, zu verletzen. Eigenheiten müssen ihrer Natur nach unterschiedlich sein, daher enthüllt und verdeutlicht die subjektive Stimmigkeit Verschiedenheit in all ihrer Fülle, und es kann sehr schmerzhaft sein, wenn Verschiedenheiten aufeinander treffen.

An dieser Stelle zeigt sich die Unabdinglichkeit des ganz großen, vollkommen entfalteten Herzens. Da die innere Stimmigkeit uns selbst vollkommen enthält, bildet sie so die Basis, auch jede andere Manifestation zu beinhalten. Erst wenn wir uns selbst vollkommen lassen können, ein ganz großes, nicht wertendes Herz für uns selbst entwickeln, können wir auch alles andere in uns enthalten und müssen im Außen nichts und niemanden ausschließen.

So hat der Selbstbezug der inneren Stimmigkeit absolut nichts gemein mit irgendwelchen egoistischen Strebungen, die blind machen für das Leid anderer. Sobald ich mein Herz für mein eigenes Leid, die Unvermeidbarkeit von Schuld, Versagen und Unvollkommenheit geöffnet habe, bin ich auch geöffnet, andere zu fühlen und deren subjektive Wahrheit in mir zu halten.


Umgang mit Emotionen


Innere Stimmigkeit ist keine Fixierung auf Emotionalität, sie meint zum Beispiel nicht, man solle seine Wut abreagieren, weil das halt jetzt gerade stimmt.
Innere Stimmigkeit enthüllt sich gerade nicht, wenn wir vorschnell irgendwelchen Impulsen folgen. Sie braucht ein Spüren, Sehen und Anerkennen der eigenen Emotionen, aber sie überlässt sich ihnen nicht, sie reagiert sie auch nicht ab, sondern sie registriert sie als Ausdruck der momentanen inneren Verfassung.

Emotionen sind unterschiedslos eingeladen, ohne eine Handlung zur Folge zu haben. Alles wird mit der Qualität eines Zeugen wahrgenommen und gehalten, wird gesehen und verstanden, ohne dass etwas daraus folgen müsste. So entwickeln wir ohne irgendeine Absicht die Fähigkeit unseres Organismus, entstehende Spannung in sich zu halten ohne Tun. Über die Erhöhung zellulärer Kapazität, die Wahrheit von Widersprüchlichkeit im Körper zu halten, erhöht sich auch die Fähigkeit, mit Unerträglichem umzugehen, statt es zu verdrängen oder in die Dissoziation gehen zu müssen.

Der Geist erhält so eine immer wachsende Geschmeidigkeit, sich den paradoxalen Strukturen der dualen Wirklichkeit anzugleichen und lineares Ursache- Wirkungsdenken zu überschreiten.


„Negative“ Gefühle


Wenn ich mir erlauben kann, bedingungslos auch alle „negativen“ Gefühle zu haben, ich ihnen keine Abwehr mehr entgegensetze, indem ich sie vermeiden oder transformieren möchte, kann meine Menschlichkeit zutage treten.

Egoismus ändert seine Bedeutung, wenn ich ihn bewusst in mir halte und erkenne, dass er mich blind macht für andere – und ich ein Grundrecht habe, auch so zu sein, da Egoismus stimmiger Ausdruck meines momentanen Erlebens sein kann.

Hass ändert seine Bedeutung, wenn ich ihn mir erlaube und tief mit dem Herzen verstehe, dass er adäquate Folge eines Zustandes ist, in dem mein Selbst verloren ging, denn er entsteht genau dann, wenn das Eigene vollkommen verschwunden und durch Fremdes ersetzt ist, ich „besetzt“ oder „besessen“ bin. Es gibt ein menschliches Grundrecht, zu hassen, denn ohne Hass entstünde kein Erkennen des schrecklichen Geschehens in mir.

Gier zeigt sich als verständliche Reaktion auf ein Gefühl des zu kurz Gekommenseins. Ohne Gier käme ich dem niemals auf die Spur - und: der Umgang mit diesem Gefühl liegt vollkommen in meiner eigenen Verantwortung.


Selbstverantwortung

Indem ich niemals einem anderen Verantwortung für meinen inneren Zustand übertrage, lerne ich, mir auch schwierigste und extreme Reaktionen zu gestatten, sie in mir zu halten, sie selbst zu verantworten und aus Herzenstiefe zu verstehen. Jede, auch die moralisch fragwürdigste innere Regung macht Sinn, kann stimmig sein, weil sie Wegweiser darstellt für Unerlöstes.

Die wachsende Bewusstheit meiner selbst und die Fähigkeit, mit allem, was geschieht in Beziehung zu gehen, statt sich damit zu identifizieren, schaffen innere Freiheit. Diese sich immer erneuernde Freiheit, zu entscheiden, ob ich reagiere oder nicht, bildet die Basis für die Übernahme absoluter Verantwortung meiner selbst und erst wenn ich mich vollkommen selbst verantworten kann, bin ich auch in der Lage, Verantwortung für andere zu übernehmen.


Das Grundrecht auf Unvollkommenheit


Voraussetzung der Entwicklung innerer Stimmigkeit muss demzufolge ein vollkommen a-moralisches Erlauben und Verstehen sein, was beinhaltet, dass Nichtstimmigkeit stimmiger Ausdruck meiner momentanen Verfassung sein darf. Wir besitzen ein menschliches Grundrecht auf Unvollkommenheit, wir dürfen scheitern und vollkommen unerlöst sein.
Wir dürfen Fehler machen, uns ganz bescheuert verhalten, wir dürfen Unrecht tun und manchmal schaden wir anderen. Das geschah schon immer und wird immer wieder geschehen.

Erst wenn wir diese Mangelhaftigkeit nicht mehr bekämpfen, sondern sie akzeptieren und uns vollkommen erlauben, indem wir sie als unvermeidbaren Ausdruck unseres Menschseins begreifen, öffnet sich unser Herz dafür, und wir hören wir auf, gegen die Tatsache der Dualität anzukämpfen. Gnade meint, Menschsein anzunehmen und nicht verändern zu wollen, Gnade bedeutet Menschlichkeit.

Indem Gott Mensch wurde, wurde er menschlich, Non-Dualität begann, sich durch und über Dualität zu manifestieren. Damit ist Dualität zwangläufig widersprüchlich, und es grenzt an Gewalt, sie nur hell, licht und gut machen zu wollen. Wir brauchen deshalb keine neue Moral, sondern eine wirklich gelebte und geliebte Menschlichkeit.

Literatur: Neuner, E., Niemeyer, H. (2004): Wagnis Wahrhaftigkeit. Pro BUSINESS, Berlin.


Ich verstehe diesen Text als Grundlagenartikel, der natürlich in allen möglichen Punkten
konkretisierbar und zu veranschaulichen ist. Die zugrundeliegende Erkenntnis ist Ergebnis meines eigenen zutiefst persönlichen Forschens sowie jahrelanger intensivster Begegnungen mit Menschen, die bereit waren, ihr innerstes Erleben mit mir zu teilen. Unter ihnen waren es gerade die sogenannten „schweren Persönlichkeitsstörungen“, die „Untherapierbaren“, Aufgegebenen, Gescheiterten, die mich am meisten konfrontierten, inspirierten und bereicherten, und deren verzweifelte Suche nach Wahrhaftigkeit und Authentizität mich unendlich ehrfürchtig werden ließ. Es war immer mein Anliegen, diese Menschen nicht irgendwohin zu therapieren, sondern sie zu lassen, sie zu verstehen, damit sie lernen, sich selbst zu verstehen. Es lässt mich staunen, welch fundamentalen Quantensprung meine Arbeit erlebt, seit sie auf obiger Grundlage basiert und welch tiefgreifende Resonanz sie findet.

Eva Neuner


http://www.therapiekongress-fuer-frauen....euner.html